Kulturelle Projekte mit jungen afrikanischen Migranten - ethnische Muttersprachen als Mittel der Kommunikation auch in den Gastländern
Natürlich ist für junge Migranten die zunehmende Beherrschung der deutschen Sprache wichtig. Durch unsere Arbeit in Rap-, Pop- und Rockmusik-Projekten bemerkten wir, dass die Zugewanderten bereits eine europäische Sprache fließend beherrschen, entsprechend der jeweiligen Kolonialmacht: In Guinea ist es Französisch, in Ghana Englisch. Die eigentlichen Muttersprachen sind aber Fula, Susu und andere, deren Verbreitung nicht von der Grenzziehung in den Kolonien beeinflusst ist. Bei unseren Workshops hörten wir Eigenkompositionen in französischer Sprache, und zu unserem Erstaunen andere, für uns recht ungewöhnlich klingende Texte. Unter den jugendlichen Migranten sind diese ethnischen Sprachen ein wertvoller Besitz, den sie pflegen und der ihnen ein Gefühl von Heimat vermittelt, und der für ihre Identität wichtig ist. Wir als deutsche Partner haben dann oft das Gefühl, dass sie uns an einem Geheimnis teilhaben lassen, welches in ihnen lebt und wirkt.
Diese Erfahrungen führte uns zu einer neuen und ganz anderen Bewertung: Die jungen Migranten sind mehr als Geflüchtete, die bei uns Schutz und Perspektiven suchen, sie sind gleichzeitig junge Botschafter ihrer Herkunftsländer. Der Heimatbegriff ist vor diesem Hintergrund neu zu definieren und weiter zu fassen:
OK, Ihr seid jetzt hier, werdet schnellstens Deutsche und lernt unserer Kultur kennen und lebt diese zusammen mit uns. Richtig – aber zeigt uns auch eure Kultur, wir möchten mehr von euch wissen und nicht immer nur betonen, was ihr noch nicht könnt, sondern was ihr bereits jetzt beherrscht und worauf ihr stolz seid.
Das Projekt entwickelte sich auf der Grundlage einer gegenseitigen Annäherung und war bestimmt durch Offenheit, wechselseitige Anerkennung und zunehmende Verständigung.
Organisatorisch waren wir in unterschiedlichen Quartieren und Einrichtungen tätig: Workshops im
Swane-Café in der Luisenstraße, wo das Team der Senegalesin Selly Wayne einen Ort geschaffen hat, der Begegnung zwischen Afrika und Deutschland ermöglicht. Hier schrieb der junge Amadou aus Guinea sein erstes Lied in Fula, wodurch er große Anerkennung erhielt. Auch auf dem
BOB-Campus in Wichlinghausen fanden und finden entsprechende Workshops mit Jugendlichen statt, hier hat u.a. der Verein Dunea e.V. seinen Sitz, welcher afrikanischen Jugendliche Integrationshilfen gibt und dabei über Percussion, Tanz, Gesang und Komposition Wege der Kommunikation öffnet, zuletzt eindrucksvoll auf der Bühne des Bürgerfestes
Barmen Live 2022, bei dem auch der Anteil der 'people of colour' im Publikum sehr hoch war.
Das Projekt wird vor allem in der
Villa Rock auf Einern realisiert, wo inzwischen ein Tonstudio für Jugendliche eingerichtet werden konnte und auch Coaching durch einen Toningenieur angeboten wird.
Wegen der Lockdowns wurde unser Projekt in der Vergangenheit streckenweise sehr erschwert, da keine persönliche Treffen möglich waren und auch einzelne Corona-Infektionen im Haus uns Grenzen setzten. Wir haben trotz aller Einschränkungen afrikanische und für Musik begeisterte Jugendliche als Projektpartner gewonnen und planen gemeinsam Workshops, Konzerte und Medienproduktionen. U.a. mit Saralynn (Ghana), Kobyness (Ghana), Amadou Barry (Guinea), Ousmane 'Ossi' (Guinea), das Trio Lamine, Amadou Sadjo, Mamadou, sowie Lenny und weitere. Im Schnitt waren 15 Jugendliche intensiv und kontinuierlich beteiligt, wenn auch streckenweise nur digital.
Einige Liedbeispiele zeigen Ausschnitte unserer Arbeit, bemerkenswert das Lied
'Meine Heimat' von Saralynn, die über ihre Gefühle singt die sie zwischen zwei Welten empfindet. Und das Lied
'Der Krieger' von Ossi, worin er seinen Willen und seine Kraft betont. Wichtig auch das Lied
'Ein Elefant in Wuppertal' der Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund zusammen die Geschichte des bekannten Elefanten 'Tuffi' aufgreift. Die in Zoos und beim Zirkus vorgeführten 'Exoten' haben auch den Verlust ihrer Heimat erfahren – das Lied ist in deutscher Sprache und in der letzten Strophe in Fula.